Impfpflicht – Rolle von uns ÄrztInnen

Das Impfpflichtgesetz hatte schon lange seine Schatten vorausgeworfen, wir haben es in unseren Ordinationen schon seit Wochen vernommen, die Unruhe, das feine Vibrieren, den Unmut in der Bevölkerung, einzelne wurde etwas laut, auch ausfällig, KollegInnen berichten sogar von tätlichen Aggressionen, von negativen Bewertungen auf Google ganz abgesehen. Es kam auch zu suizidalen Einengungen, Menschen sind verzweifelt, fühlen sich an den Rand gedrängt, reagieren zum Teil auch aggressiv.

Das sind Menschen, welche vor zwei Jahren unauffällig unter uns lebten und nun Existenzsorgen haben, Angst. Nun ist das Impfpflichtgesetz da – noch bevor es staatlicherseits so richtig scharf gestellt wird, beginnen sich einzelne PolitikerInnen schon vom Gesetz zu distanzieren und sprechen sich klar für eine Abschaffung oder ein Pausieren aus.

Für uns Ärzte muss klar sein: Impfen ist ärztliche Angelegenheit, dazu gehören Aufklärung, Feststellen der Impftauglichkeit, das Impfen selbst und auch die zugehörige Dokumentation und es wird mir an dieser Stelle jede/r zustimmen, dass wir ÄrztInnen uns für das Impfen aussprechen sollen.

Impfungen haben sich entscheidend auf die Menschheit im positiven Sinne ausgewirkt, sie sind als einer der wesentlichen Gamechanger zu bezeichnen. „Die Debatte um die Impfpflicht“ ist letztlich aber eine zutiefst politische Frage, wir Ärzte können den Politikern durchaus beratend zur Seite stehen, aber wir sollten uns nicht an die Spitze einer ideologischen Polarisierung stellen, aktiv und öffentlich als Ärzte die Impfpflicht fordern. Damit vergeben wir uns viel, nämlich die Neutralität, die Äquidistanz, welche für die Arzt-Patientenbeziehung so wichtig ist. Wie soll sich jemand mit Ängsten vor „der Impfung“, voll mit Unsicherheit und Fragen seiner Ärztin, seinem Arzt nähern, wenn er schon davon ausgehen muss, dass Ärzte generell für „die Impfpflicht“, also auf der „anderen Seite“ stehend, eintreten.

Sollten wir ÄrztInnen unseren PatientInnen nicht gerade jene Ängste nehmen, sie annehmen, wie sie sind und „trotz“ vielleicht auch möglicher Erkrankung unvoreingenommen behandeln, beraten, wenn sie Fragen zum Themenkomplex Covidimpfung haben? Aus meiner Sicht ist es unabdingbar, dass wir unseren PatientInnen wertschätzend, mit Vertrauen und nicht mit Schüren von Angst und vielleicht auch mit Vorurteilen begegnen. Sollten nicht gerade wir ÄrztInnen das Verbindende über das Trennende stellen? Wir treiben mit einer polarisierenden Haltung die Menschen doch genau in die Arme jener, vor denen wir sie beschützen sollten. Die Heilsversprecher und Quacksalber. Selbstverständlich kann man von einer ungeimpften Person erwarten, dass sie getestet in die Ordination kommt, das ist nicht der Punkt, aber bei all dem, was wir als Gesellschaft über diese schreckliche Pandemie nun wissen, sind wir in der Lage, mit ungeimpften Personen in unseren Ordinationen umzugehen und das sollten wir den Menschen auch kommunizieren, nicht das Dogma der Impfpflicht.

Bundeskurienobmann, Kollege MR Dr. Johannes Steinhart spricht in einem Onlineartikel, erschienen am 12. Februar 2022 auf seinem Facebook-Blog, zum Thema „Das ärztliche Miteinander“ davon, dass „jede Kollegin und jeder Kollege immer individuell, auf Basis seiner Beurteilung frei entscheiden können dürfen soll“. Dem will ich mich klar anschließen. Gerade jetzt, in dieser Zeit ist es nun mal nicht unsere Aufgabe, den moralisierenden Zeigefinger zu heben, es ist unsere Aufgabe für unsere Mitmenschen da zu sein, wenn sie uns brauchen. Wir haben in unserer Ausbildung gelernt, wie wir mit wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen unsere Mitmenschen behandeln, ihnen begegnen, Ausgrenzen hat in unserem Repertoire keinen Platz, daher kann es nur gut sein, wenn wir den Politkern die schwierige Entscheidung über die Impfpflicht und deren Rahmenbedingungen überlassen, wir aber unsere ganze Kraft dazu verwenden, wertschätzend zu handeln und behandeln. Audiatur et altera pars, meint dizzi

PS: Ich habe vorige Woche eine Patientin gehabt, welche durch den aufgebauten Druck die Situation paranoid verarbeitet hat, sich aus Verzweiflung (Mutter von zwei kleinen Kindern) das Leben nehmen wollte. Ein Gesetz, das solche Auswüchse im realen Leben hat, kann ich nicht gutheißen, als Arzt nicht und als Mensch nicht.